Mit Sicherheit wieder vorne

HYLO: High Yaw lift off

Problem und Lösung
HYLO steht für den englischen Begriff „High Yaw Lift-Off“ (Abheben bei starker Luftanströmung schräg von der Seite). Hintergrund dieses Phänomens im Zusammenhang mit einem DTM-Auto: Gerät ein solcher nach dem Class-1-Reglement gebauter Tourenwagen-Prototyp während der Fahrt aus der Spur und stellt sich mit mehr als 135 Grad quer, besteht ab Geschwindigkeiten von 180 km/h die Gefahr, dass seine Räder den Bodenkontakt verlieren. Ursache: Bei schräg anströmender Luft gehen die aerodynamischen Abtriebskräfte verloren, die das Fahrzeug während der Geradeausfahrt über seine Karosserie, Frontspoiler, Unterboden, Heckdiffusor und Heckflügel erzeugt. Gleichzeitig entstehen Auftriebskräfte. Übersteigen diese das Eigengewicht des Rennautos, kann es abheben.
Das Abheben verhindert das von Audi entwickelte HYLO-System so: Durch auf beide Heckflügelstützen aufgesetzte Zusatzprofile wird deren Oberfläche vergrößert. Die so erweiterten Halterungen des Heckflügels bieten beim Ausbrechen oder Drehen des Autos der dabei stärker von der linken oder rechten Seite anströmenden Luft mehr Widerstand. Dadurch entsteht ein Luftstau. Diese aufgestaute Luft erzeugt Druck auf das Heck und gegen den dort wirkenden Auftrieb. Ist dieser sogenannte Staudruck-Effekt größer als die Auftriebskräfte, wird maßgeblich die Gefahr reduziert, dass das aus der Spur geratene Auto den Bodenkontakt verliert.


Garry Paffetts Unfall auf dem Norisring 2017.
Auslösende Faktoren
Zwei Unfälle bringen die Entwicklung von HYLO bei Audi Sport in Gang: der von Augusto Farfus (BMW) 2016 auf dem Lausitzring und der von Gary Paffett (Mercedes) 2017 auf dem Norisring. Ihre DTM-Autos heben ab, nachdem sie jeweils bei sehr hoher Geschwindigkeit ins Schleudern geraten sind. Ein dritter Zwischenfall dieser Art untermauert 2019 in Brands Hatch den Sinn und Zweck eines neuen Sicherheitssystems wie HYLO.

Pietro Fittipaldis Unfall in Brands Hatch 2019.
Dort verliert Pietro Fittipaldis Audi RS 5 DTM bei einem Dreher während des Qualifyings den Kontakt zum Boden. Der Wagen fliegt über ein Kiesbett hinweg rückwärts in eine gepolsterte Barriere. Fittipaldis Glück: Die Fahrbahn ist feucht. Deshalb ist das Tempo, bei dem sich der Brasilianer dreht, geringer als üblich. Auf trockenem Asphalt und somit bei höherer Geschwindigkeit hätte sein aus der Spur geratener Rennwagen mehr Auftrieb bekommen und wäre noch höher in die Luft gestiegen.


Yannick Mangel
Entwicklung und Entwickler
Erste Untersuchungen für weitere Sicherheitsmaßnahmen an DTM-Autos beginnt Audi Sport 2018. Ab Frühjahr 2019 folgen Diskussionen mit der DTM-Dachorganisation ITR und den Mitbewerbern. Kernpunkt: Das neue System darf die Wettbewerbsfähigkeit nicht beeinflussen. Durch HYLO sollen niemandem Vor- oder Nachteile entstehen.
Vor allem mithilfe der CFD-Technologie (Computational Fluid Dynamics) entwickelt Audi Sport im Sommer 2019 sein HYLO-System per Strömungssimulation weiter. Virtuell werden so zeit- und kostensparend verschiedenste geometrische Formen der neuen Zusatzprofile für die Heckflügelstützen konfiguriert. Auch ihre Wirkungen bei allen möglichen Fahrzuständen werden so überprüft. Federführend dabei sind drei Ingenieure: Axel Löffler, bei Audi Sport Leiter Entwicklung Fahrzeug/Aerodynamik, sowie seine Mitarbeiter Yannick Mangel und Axel Burnier.

Konstruktur und Test
Das HYLO-System besteht aus zwei Verkleidungsteilen, die an der linken und rechten Heckflügelstütze angebaut werden. Gefertigt sind die von einem Rahmen eingefassten Abdeckplatten in Leichtbauweise aus Carbon-Verbundwerkstoff.
Auf der Rennstrecke erprobt Audi HYLO erstmals im Dezember 2019 in Jerez. Ein speziell für Tests vorgesehenes Modell des Audi RS 5 DTM ist exklusiv mit dem neuen System ausgestattet. Wichtigste Erkenntnis: Die neuen Anbauteile haben tatsächlich keinen Einfluss auf den herkömmlichen Abtrieb, die Balance und die Luftwiderstandswerte. „Das System erwies sich damit auch in der Praxis als performance-neutral“, sagt HYLO-Projektleiter Axel Löffler. Im Juni 2020 ist beim DTM-Test auf dem Nürburgring erstmals auch ein Fahrzeug von Wettbewerber BMW mit HYLO ausgestattet.


Reifendrucksensor am Audi R8 (2001).
Fortschritt durch Sicherheit
Allrad, Turbo, Diesel, Hybrid, reiner E-Antrieb: Gemäß seines Slogans „Vorsprung durch Technik“ erzielt Audi im Motorsport seit fast 40 Jahren bedeutsame technische Fortschritte. Ebenso wichtig sind der Marke mit den Vier Ringen wirkungsvolle Neuerungen bei der aktiven und passiven Sicherheit an ihren Rennwagen.
Ein Meilenstein der Sicherheitsinitiativen von Audi im Rennsport ist das Jahr 2001: Nach dem tödlichen Testunfall von Werksfahrer Michele Alboreto sorgt Audi in kürzester Zeit mit allem möglichen Nachdruck für die Entwicklung von Reifendrucksensoren, die auch bei Rennwagen Luftverluste rechtzeitig vor einem Defekt oder Unfall anzeigen. Zudem widmen sich die Fahrzeugentwickler der Ingolstädter ab da intensiver denn je den Risiken des Abhebens eines Le-Mans-Prototypen (LMP).

Kohlefaser-Monocoque des Audi A4 DTM (2004).
Wichtige Konstruktionsfortschritte am Audi R8, der fünfmal das 24-Stunden Rennen von Le Mans und insgesamt 63 seiner 80 gefahrenen Wettbewerbe gewinnt, überträgt Audi auf seinen ersten Werkswagen der neuen DTM-Generation. Für den Audi A4 DTM von 2004 wird ein voll in das Kohlefaser-Monocoque integrierter Sitz geschaffen. Der bietet dem Fahrer neben maximalem Kopfschutz auch optimierten Komfort. Dank seiner Belüftung von hinten wird die Arbeit im oft heißen Tourenwagen-Cockpit erheblich erleichtert.
Audi überträgt laufend weitere Baufortschritte aus seinem Le-Mans-Projekt ins DTM-Auto. Wie die innovativ ins Gesamtkonzept des Audi A4 DTM integrierte Dachstruktur mit neu eingeführten Stützelementen für mehr Stabilität und Schutz. Diese Maßnahmen bewähren sich besonders bei den heftigen DTM-Unfällen von Tom Kristensen (2007) und Alexandre Prémat (2010): Das Wagendach bleibt jeweils intakt und bietet so beiden Fahrern entscheidenden Raum und Schutz zum Überleben.

Den Transfer seiner Sicherheitstechnologie führt Audi auch 2012 bei der Einführung des neuen Technischen Reglements der DTM weiter. Der seit 2019 in der Version mit Turbomotor eingesetzte Audi RS 5 DTM besteht aus einer für alle DTM-Autos baugleichen Fahrerzelle. Entwickelt wurde auch sie von Audi Sport auf Basis des über Jahre bei den LMP-Konstruktionen gewonnenen Know-hows. Das gilt ebenso für die in allen aktuellen DTM-Autos eingebauten Crash-Absorber, die bei einem Aufprall oder Einschlag an der Front, am Heck und an den Flanken die dort wirkenden Kräfte durch exakt berechnetes, gezielt geführtes Verformen bündeln und auffangen.
Mit der Einführung des HYLO-Systems für die DTM-Fahrzeuge der Saison 2020 schließt sich dieser Kreis. Audi liefert damit erneut aus praktischen Erfahrungen und aus immer weiter geführten Forschungen gewonnene Sicherheitsfortschritte. Ob für die Le-Mans-Sportprototypen oder die DTM-Autos, Audi sucht und findet seit fast 20 Jahren innovative Wege und Mittel gegen die Gefahr des Abhebens von ins Schleudern oder Drehen gekommenen Rennwagen. Und ob mit im Frontdiffusor eingebauter Stufe, ob mit angewinkeltem Unterboden, ob mit „Haifischflosse“ über dem Heck, ob mit Öffnungen in den Kotflügeln oder jetzt mit HYLO an den Heckflügelstützen: Audi macht den Motorsport immer wieder ein Stück sicherer.
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